Schwuler Sex ohne "Apple"?
Gedanken zum Tod von Steve Jobs
(gayBrandenburg - Tabulose Rundschau) Als er sich im August von all seinen Ämtern zurückzog, dachte ich mir schon fast, dass es bald so weit sein dürfte: Steve Jobs, Gründer und bis zum Sommer Kopf des US-Elektronikgiganten „Apple“, starb in der Nacht zum 6. Oktober an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Schon lange hatte er mit der Krankheit zu kämpfen. Überall, wirklich überall wird ihm nun gedacht: Vom US-Präsidenten, über die Chefs von „Facebook“, „Microsoft“ und „Google“ bis hin zum deutschen Wirtschaftsminister. Falls jemandem die Produkte aus dem Hause „Apple“ zu Jobs Lebzeiten noch nicht bekannt gewesen sein sollte, dann hat sich dies nun mit dem Tod ihres Erfinders erledigt.
„Apple“ und die Schwulen, das war schnell eine der Traumpartnerschaften des kapitalistischen Zeitalters im neuen Jahrtausend. Der Konzern verkaufte seine Produkte gleichsam wie ein Lebensgefühl, ausgerichtet auf eine Elite der Kreativen und Hippen. Die Schwulen, zumal jene die dem Marktklischee vom „Double Income, no Kids“ entsprachen, stellten sich die Kisten in Buntplastik massenhaft in die Wohnung. Eines meiner ersten Fickdates überhaupt (ich war 16) fand in Gegenwart eines „Mac“ Desktop-PCs statt, stilecht aufgestellt in einer sanierten Altbauwohnung mit Dielenfußboden im Prenzlauer Berg. Wie die Augen einer Katze blinkte mich das charakteristische Stand-by-Licht des Computers an, während sich sein Besitzer an meinem Arsch delektierte.
Aus dem Desktop-PC wurde im Laufe der Jahre das sog. „Mac Book“ und wieder begleitete es meine Ausflüge in die Berliner Schlafzimmer, lieferte die Soundtracks für unzählige durchsexualisierte Wochenenden. Oder öffnete das Browserfenster zu den „Blauen Seiten“, wenn es darum ging, kurzfristig weitere Teilnehmer zum Ficken einzuladen. „Wie schließe ich das Fenster wieder?“ – Merke: Bei „Apple“ ist das Kreuz links oben, nicht rechts (wie bei meinem Windows üblich). Selbstverständlich blinkte es einen beim Ficken auch wieder vom Schreibtisch herüber an, das „Apple“-Ding. Jenes Ding, welches sogar im queeren Independent-Kino seinen Platz ergatterte. Erinnert sei hier an John Cameron Mitchells Film „Shortbus“.
Aber auch Outdoor ernannte der Homosexuelle die Produkte von Steve Jobs zum wichtigen Accessoire: Erst mit dem „Ipod“, der dem Hipster-Homo beim Shoppen, Sonnenbaden und Cruisen half seinesgleichen zu erkennen, dann mit dem „Iphone“. „Apple“ lieferte mit diesem Gerät alle nötigen Werkzeuge zur Selbstdarstellung im Hosentaschenformat. Nicht erst, aber vor allem seit dem Markteintritt des Geräts wird der mehr oder minder sportlich geformte Leib in den Spiegel gereckt und dieses Spiegelbild, in der schmerzlosen Demut eines technischen Utensils, vom „Iphone“ abgelichtet. Ob „Gaydar“, „Dudesnude“ oder „Gayromeo“, die Bilderwelten des schwulen Web 2.0 wären ohne Steve Jobs Knipskasten mit Internetzugang noch ärmer als sie es eh schon sind.
Dank der GPS-Funktion und Netzwerken wie „Grindr“ oder „Facebook“, kann man nun auch nach Kontakten in der Nähe metergenau Ausschau halten. Geräte anderer Hersteller tun dies ganz genauso, aber einmal mehr gelang es Jobs’ Technik, hier Standards zu setzen. Die Schwulen waren ihm dabei treu ergebene Helfer. Die Geräte „revanchierten“ sich ihrerseits mit gestochen scharfen Videos vom Sexualakt mit dem aktuell gültigen Bettgenossen. Und jetzt? Der „I-Gott“ ist tot, sind es damit auch seine Produkte? Die treue Partnerschaft zwischen „Apple“ und den Homos hat auch die vorerst letzte Entwicklungsstufe ausgehalten: Beide, der Apfel und der Homo sind im Mainstream angekommen. Ob ihre innige Beziehung eine Zukunft haben wird, werden wir in ein paar Jahren wissen. Vielleicht haben die kommenden Homo-Generationen ja auch gar kein Interesse mehr am Technikkram der zukünftigen „Alt-Homos“. Schwuler Sex funktioniert schließlich auch ohne „Apple“ – das ist der positive Aspekt an der Todesnachricht des Steve Jobs.