Der Gayschichte auf der Spur
Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto stärker wird die Dominanz des heterosexuellen Mannes deutlich. Um die Präsenz von Frauen in höheren Ämtern war es ebenso schlecht bestellt, wie unser Bild der queeren Vergangenheit Brandenburgs vor allem von seiner Lückenhaftigkeit gekennzeichnet ist. - Vertuschung und Maskerade sei Dank. Das Wissen über Leben und Werk offen schwul und lesbisch lebender Menschen der Regionalgeschichte ist rar. Die wenigen verbliebenen Teile des großen queer-historischen Mosaiks setzen sich zusammen aus Zeugnissen wie Gerichtsakten der Unzucht Angeklagter oder dem gedruckt archivierten Medienecho auf durch Denunziationen ausgelöste gesellschaftliche
Skandale. Oder aus eindeutigen Notizen in Tagebüchern, Briefwechseln oder von Zeitzeugen niedergeschriebenen privaten Anekdoten, die den Schleier jeweils ein kleines Stück anheben, der das Andenken an Biografien am Rande gesellschaftlicher Wertvorstellungen vernebelte. Das Verschweigen homosexuellen Empfindens hatte zumeist gute Gründe: sobald etwas nach außen drang, drohten Isolation im Bekanntenkreis, berufliche Nachteile, Schäden an Leib und Seele, das Zerbrechen der Beziehung und die Zurückweisung durch die Familie. Wenn homophobe Gesetzgebung allein es nicht schaffte, das Erblühen queerer Liebe zu erdrücken oder die Herausbildung queerer Szenen und Strukturen zu ersticken, tat die gesellschaftliche Ächtung ein Übriges. Religion, Unwissenheit und Schauermärchen haben Karrieren und Leben zerstört, solang Homosexualität als Krankheit oder Perversion galt, als Gefahr für Kinder und Moral, als ansteckendes Übel oder sogar als gefährlicher Kult, dessen Protagonisten man die teuflischsten Absichten nachsagte. Im Folgenden werden für alle sieben Landkreise und die zwei kreisfreien Städte in der Nordhälfte Brandenburgs jeweils Lebensläufe und Karrieren, gesellschaftliche Tragödien sowie politische Errungenschaften unserer queeren Geschichte aufgezeigt. [Martin Bach]