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Neues von der Vögel-Lucie

[Lenzen/Elbe] Weil Tierfreundin Lucie gut zu Vögeln ist, tanzen Ludwigs Lustknaben-Atome auf Samtpfötchen. Was wie die Einleitung zu einem erotischen Roman klingt, ist lediglich die Ortsbeschreibung der Stadt Lenzen/Elbe. Diese liegt zwischen Ludwigslust, dem EU-Vogelschutzgebiet „Die Lucie“ und dem Atommülllager Gorleben in der Samtgemeinde Gartow. Zu DDR-Zeiten lag die brandenburgische Kleinstadt jahrzehntelang direkt am Eisernen Vorhang, der an dieser Stelle durch die Elbe verlief. Doch auch damals weckte Lenzen bereits das Interesse von Touristen, einer von ihnen war Hans-Joachim Manthey aus Ost-Berlin. Doch der Besuch endete im Desaster. Als er 1986 in das verträumte Städtchen fuhr, um Fachwerk-

Architektur zu fotografieren, zogen ihn zwei Volkspolizisten aus dem Bus, verhörten ihn und unterstellten ihm Fluchtpläne. Erstmals begriff er, dass er jahrelang bespitzelt wurde und wegen seiner Homosexualität sogar auf „Rosa Listen“ geführt wurde, so die „Stuttgarter Zeitung“. Doch der Reihe nach. Der schwule Diplom-Ökonom machte nach seinem Eintritt in die SED zügig Karriere, stieg bis zum Parteisekretär auf und bekam im Rahmen seiner Anstellung in einem Außenhandelsbetrieb regelmäßig Gelegenheit zum Besuch des kapitalistischen Auslands. – Bis er sich 1971 outete. Die Folgen: Berufliche Versetzung, keine Westreisen mehr, Überweisung an einen Psychiater. Wie der Arbeiter- und Bauernstaat trotz Beseitigung kriminalisierender Gesetzesparagrafen über Schwule dachte, zeigt dieser Bericht des Ministeriums für Staatsicherheit: „[Schwule] verhalten sich konspirativ gegenüber ihrer Umwelt und sind rücksichtslos, betreiben einen hohen Lebensaufwand, sind kriminell gefährdete Personen und streben Kontakte zu Ausländern, besonders aus kapitalistischen Ländern, an“. Seit dem Erlebnis in Lenzen wartete Manthey auf eine Gelegenheit zur Flucht und entkam im September 1989 über Ungarn. Manthey lebt heute in Stuttgart und schrieb über sein Leben das Buch „Glück gehabt“. [Martin Bach]

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